Üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus und will ein Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so bedarf dies gemäss gesetzlicher Regelung der Zustimmung des anderen Elternteils oder der Entscheidung des Gerichts bzw. der Kindesschutzbehörde, sofern der Wechsel des Aufenthaltsortes erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge und den persönlichen Verkehr durch den anderen Elternteil hat (so Art. 301a Abs. 2 lit. b ZGB). Dies gilt für Wechsel des Aufenthaltsortes innerhalb der Schweiz. Im Urteil vom 6. November 2017 (5A_47/2017; zur Publikation vorgesehen) hatte das Bundesgericht darüber zu befinden, was die Konsequenzen sind, wenn ein Elternteil gegen diese Regel verstösst.
Dem Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass eine mit ihrer Familie im Kanton Aargau lebende Ehefrau während einer Abwesenheit des Ehemannes mit den Kindern heimlich in den Tessin zog.
Das Bundesgericht kommt im genannten Entscheid zwar zum Schluss, dass das Verhalten der Ehefrau das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Ehemannes betreffend die Kinder verletzte. Allerdings weist das Bundesgericht darauf hin, dass Art. 301a ZGB für eine Verletzung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, welche während einem hängigen Verfahren oder selbst im Nachgang zu einem den Wechsel des Aufenthaltsorts nicht genehmigen Entscheid folgt, keine zivilrechtliche Sanktion vorsieht. Mit anderen Worten gibt Art. 301a Abs. 2 ZGB unabhängig vom Zeitpunkt, in welchem der Aufenthaltsort der Kinder (unrechtmässig) verlegt wird, dem anderen Elternteil keine zivilrechtliche Möglichkeit, die betreffenden Handlungen effektiv zu verhindern oder rückgängig zu machen (vgl. 5A_47/2017, E. 5).
Das Bundesgericht lässt damit zwar offen, ob das beschriebene Verhalten eines Elternteils ev. gegen strafrechtliche Normen verstösst. Trotzdem muss man sich fragen, wozu der besagte Gesetzesartikel die Zustimmung (des anderen Elternteils, des Gerichts oder der Kindesschutzbehörde) verlangt, um einen Aufenthaltswechsel im erwähnten Sinne zu vollziehen, wenn ein solcher Aufenthaltswechsel auch ohne diese Zustimmung zivilrechtlich folgenlos bleibt und v.a. auch nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Das Erfordernis der Zustimmung beider Elternteil zum Aufenthaltswechsel, sofern sie die gemeinsame elterliche Sorge haben, bleibt damit zumindest in zivilrechtlicher Hinsicht "toter Buchstabe".
Rechtsanwalt lic. iur. Manuel Duss, Fachanwalt SAV Familienrecht, Zürich